Während, von Roger Federer einmal abgesehen, die meisten Topspieler der vergangenen Jahre derzeit verletzungsbedingt pausieren müssen, ist dadurch ein Platz für Nachrücker entstanden.
Eine Chance für die Nachrücker
ETA Blogartikel März 2018 von Björn Dietrich
Diese Lücke hat beispielsweise der Südafrikaner Kevin Anderson genutzt, der zuletzt durch zwei Finalteilnahmen von sich reden machte. Toptalent Alexander Zverev ist mittlerweile auf Rang fünf der Weltrangliste vorgerückt, auch der Österreicher Dominic Thiem hat sich unter den Besten der Welt etabliert.
Federer traut Anderson alles zu
Als Youngster geht Kevin Anderson mit 31 Jahren nun wirklich nicht mehr durch. Doch als Shootingstar kann man den Südafrikaner sehr wohl bezeichnen. Denn Anderson ist im Herbst seiner Karriere so gut geworden, wie nie zuvor. Erst gewann er das ATP-Turnier von New York durch ein 4:6, 6:3 und 7:6 gegen Lokalmatador Sam Querrey. Nur zwei Wochen später unterlag er im Finale von Acapulco dem Argentinier Juan Martin del Potro nur knapp. Dieser Leistungsschub brachte Anderson Anerkennung von ganz oben ein: „Er hält sich auf dem Court nicht zurück und gibt immer sein Bestes“, sagte unlängst der Weltranglistenerste Roger Federer, „Und dann gibt es nur wenige Jungs in unserem Sport, die ein größeres Potenzial haben, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, als Kevin.“ Dennoch ist der Südamerikaner bei den nun anstehenden French Open eher ein Geheimfavorit: 151 Euro bei einem Einsatz von einem Euro würde der Wettanbieter Betway Stand 5. März für einen Turniersieg Andersons ausbezahlen. Doch sollte der verletzte Favorit Rafael Nadal die French Open absagen müssen, würden sich die Siegchancen aller anderen Konkurrenten noch einmal deutlich erhöhen. Die große Stärke des 2,03 Meter Mannes Anderson ist sein Aufschlag. Zu einem krachenden Aufschlag, wie Anderson ihn besitzt, gehören aber neben der entsprechenden Größe auch ein exakter Bewegungsablauf und nicht zuletzt ein geschultes Auge bei der Beobachtung des Balles.
Zverev wird vom Ex-Coach angegangen
Gute Augen und ein ausgeprägtes Ballgefühl: Dass Alexander Zverev darüber verfügt, bezweifelt kein Tennisexperte. Der 20-jährige nimmt inzwischen den fünften Platz der Weltrangliste ein. Beobachter sind sich einig, dass ihm eine große Zukunft bevorsteht. Doch die Gegenwart ist derzeit nicht ganz so rosig. Nachdem sich Zverev von seinem Trainer Juan Carlos Ferrero getrennt hat, wirft dieser ihm nun mangelnde Disziplin und Respektlosigkeit vor. So sei Zverev wiederholt nicht pünktlich zum Training erschienen. Auch die generelle Einstellung des 20-jährigen habe nicht gestimmt. Vielleicht sind die Probleme und das Zerwürfnis eine Erklärung dafür, dass es für Zverev zuletzt nicht ganz so rund lief. Denn die mentale Komponente ist in kaum einem anderem Sport so wichtig wie im Tennis. Neun Monate sind seit Zverevs letztem Turniersieg vergangen, als er Roger Federer im Finale von Montreal schlug. Das Jahr 2017 war mit fünf Turniersiegen das bisher erfolgreichste des 20-jährigen, 2018 steht dagegen noch nicht einmal eine Finalteilnahme zu Buche. Dennoch ist mit Zverev in den nächsten Jahren zu rechnen. Bei aller Kritik ist er mit 20 Jahren für einen Tennisspieler noch sehr jung und hat trotzdem schon Großes erreicht. Vielleicht gelingt es ja Boris Becker, den Shootingstar zurück in erfolgreichere Bahnen zu lenken: immer wieder gibt es Gerüchte, dass der sechsmalige Grand-Slam-Sieger neuer Trainer Zverevs werden soll.
Thiem könnte neuer Sandplatzkönig werden
Still und leise auf Rang sechs der Weltrangliste hat sich der 24-jährige Österreicher Dominic Thiem vorgearbeitet. Auf seinem Lieblingsbelag Sand konnte Thiem in diesem Jahr bereits den ATP-Titel in Buenos Aires gewinnen. Sein Trainer Günter Bresnik nahm den Rechtshänder schon früh unter seine Fittiche. Er stellte das Spiel Thiems auf kompromissloses Angriffstennis um und schrieb darüber sogar ein bei Amazon erhältliches Buch. Bresnik beschreibt darin seine ganz eigene Herangehensweise als Trainer: Erfolg im Tennissport sei in erster Linie das Resultat von extrem harter Arbeit und viele Stunden tägliches Training die beste Vorbereitung auf große Siege. Hinzu kommt ein perfekt auf die Ansprüche des Spieler präparierter Schläger. Der Erfolg gibt dem Gespann recht. Nach Rafael Nadal gilt Thiem für viele Experten als derzeit bester Sandplatzspieler der Welt. Doch konnte er 2016 auch das Hartplatzturnier von Acapulco sowie das Rasenturnier von Stuttgart für sich entscheiden. Eines Tages könnte Thiem den acht Jahre älteren Rafael Nadal tatsächlich als „König“ des Sandplatzes ablösen. Bis dahin stehen ihm und Trainer Bresnik aber noch unzählige Stunden harter Arbeit auf dem Platz bevor. Bresnik lässt dabei keine Ausreden gelten: „Das mentale Gequassel geht mir auf die Nerven. Es geht um reine Konzentration und es ist Disziplinsache“, sagte er unlängst bei den World Finals in London, nachdem Thiem gegen einen sichtlich angeschlagenen David Goffin in zwei Sätzen verloren hatte.